Schottertour Rumänien 2015 • Kapitel 4
9. März 2016Schottertour Rumänien 2015 • Kapitel 2
9. März 2016Schottertour Rumänien 2015 • Kapitel 3
9. Tag • 12. September 2015 • Berca - Dumbraveni
Heute soll es am östlichen Rand der Karpaten, parallel zur moldawischen Grenze Richtung Norden, nach Bacau gehen.
Wir wollten noch ein paar off Road Pisten in der Walachei fahren, aber das sollte sich als Fehler herausstellen.
Zunächst lief alles ganz gut, feuchter Untergrund zwar, aber gut zu fahren.
Nach einiger Zeit kamen wir auf eine Kuppe und Andy erkundigte sich bei einem Schäfer nach dem Weg. Der aber war sauer, weil wir seine Schafe erschreckt haben.
Wir standen also auf der Kuppe und fixierten das Gelände. Einen Weg, abschüssig, so ca. 20% Gefälle, aber keine große Schwierigkeit – so glaubten wir, aber da haben wir die Rechnung ohne den Lehm gemacht.
Morgens in der Walachei, da ist die Welt noch in Ordnung. (Aber nicht mehr lange, ha ha.)
Zu dem Zeitpunkt war es 10 Uhr.
Ich, als erster losgefahren, habe nach wenigen Metern gemerkt, dass das Vorderrad nur noch rutscht. Ok, ist halt Lehmboden – da ist das eben so, also vorsichtig weiter.
Nach wenigen weiteren Metern sah ich, dass das vordere Schutzblech zu brechen drohte, der Lehm hat sich so dick im Profil über den gesamten Reifen aufgebaut, dass das Schutzblech massiv hochgedrückt wurde.
Also anhalten und das Schutzblech abschrauben. Gesagt, getan und weiter! Nun schälte sich der Lehm am Schutzblechhalter und Gabelstabilisator ab und drückte die Bremsleitung mit aller Macht so zur Seite, dass sie abzureißen drohte.
Ok, also Gabelstabi abschrauben. Ich, auf dem Motorrad am Hang mit ca. 5 cm Lehm unter den Stiefeln, habe das Krad in Balance gehalten. Ulrich und Erek versuchten im Schlamm die Schrauben zu finden und herauszudrehen, was ihnen nach einigen Minuten auch gelang.
Jetzt war der Gabelstabi zwar lose, aber wir bekamen ihn nicht heraus, er ist breiter als die Gabel. Wieder festzuschrauben ging in dem Schlamm auch nicht, also brachen wir ihn mit Gewalt heraus.
Neuer Versuch! Ich kam aber wieder nur wenige Meter voran, Vorderrad total verkleistert und blockiert in der Gabel.
Bin dann mit blockiertem Vorderrad in Richtung einer tiefen, vom Regen ausgewaschenen Rinne gerutscht und habe das Krad gerade noch so auf der Kante abgefangen. Gott sei Dank, denn da hätten wir das Bike nicht so schnell wieder herausgezogen.
Also zogen wir mit vereinten Kräften das Krad wieder in die Mitte des Weges. Jetzt erstmal verschnaufen und nachdenken, wie es weitergeht.
Währenddessen versuchte Axel sein Glück. Er, mit richtigen Stollenreifen TKC 80 ausgerüstet, kam auch nur wenige Meter voran, also Stopp und über eine Alternative nachdenken.
Motorräder wieder raufzuholen erschien uns unmöglich bei 20 % Gefälle und dem rutschigen, klebrigen Lehm. Axel wollte es rechts über eine Wiese nach unten versuchen, nur die war noch steiler, das Gras nass und die Reifen total verkleistert.
Egal, man muss auch mal was riskieren, es kam wie es kommen musste.
Axel geriet in einer unkontrollierten Schussfahrt ins Schlingern, bekommt die R 100/GS gerade noch so auf die Seite geschmissen und bohrte den rechten Zylinder in den Boden, um die unkontrollierte Rutschpartie zu stoppen.
Lars und Alexandru zu Fuß hinterher, was beinahe bei den beiden auch zu einer unkontrollierten Rutschpartie wurde.
Bei Axel angekommen haben sie die BMW aufgerichtet und mit nach unten geleitet.
Er hat so etwa 200 Meter geschafft, aber das war sehr sehr riskant. Zu riskant für den Rest der Truppe.
Wir sahen uns den weiteren Streckenverlauf an und glaubten, dass wir das Schwierigste hinter uns haben.
Ich rief meine Erkenntnisse nach oben und riet meinen Mitstreitern, auch ihre Vorderschutzbleche abzuschrauben, sonst geht es nicht.
So, jetzt erst einmal den anderen helfen.
Axel und ich haben eine gefährliche Passage mit Gestrüpp und Zweigen ausgelegt, damit man wenigstens etwas Traktion hat.
Dann kam Bernd mit seinem Tiger, er hat natürlich das Schutzblech nicht abgeschraubt. Er meinte, das geht auch so. Nach wenigen Metern Knack, es war komplett abgebrochen und nicht mehr zu gebrauchen.
Also den Berg wieder rauf und die Schutzbleche der anderen doch noch abgeschraubt.
Ich, mittlerweile zigmal mit dem dicken Kleister unter den Schuhen, die sich anfühlten wie Bleigewichte, den Berg rauf und runter. Ich war schon ziemlich erschöpft.
Egal es muss weitergehen, also den Rest der Truppe mit vereinten Kräften den Berg runter bugsiert, bis zu der Stelle, an der ich mein Krad abgestellt habe.
An den drei Tigern tat sich jetzt ein neues Problem auf.
Die vordere Bremsleitung, normalerweise durch das Schutzblech gehalten, wurde durch den Lehm mit nach vorne gerissen und verfing sich im Profil des Vorderrades, brachte es zum Blockieren und drohte abzureißen.
Zuerst versuchten wir die Bremsleitung mit einem Stock vom Reifen fern zu halten, aber das war sehr mühselig und nicht besonders effektiv.
Die Truppe zog sie dann mit Gummispanngurten nach unten und fixierte sie so am Sturzbügel – das sollte erst mal gehen.
Es wurde jetzt etwas flacher, das erschien uns einfacher. Der Weg machte einen weiten Bogen, etwa 200 Meter weit, und sah gar nicht so schlecht aus.
Axels BMW zogen wir mit vereinten Kräften quer über den Weg auf die linke Seite, auch da wieder auf eine Wiese, und los.
Das wurde wieder eine unkontrollierte Schlitterpartie und ging gerade noch mal gut.
Ich, mittlerweile ziemlich alle, dachte mir ich probiere es auf dem Weg, der einen schönen weiten Bogen macht.
Doch das sollte sich als Fehler herausstellen.
Ich also los und merkte, dass der Lehm noch klebriger wurde.
Das Vorderrad blockiert wieder nach wenigen Metern.
Habe das Krad mit Motorkraft und blockiertem Vorderrad einfach langsam weiter voran getrieben. Das konnte ich gut kontrollieren, weil es nur noch leicht abschüssig war.
Das ging etwa 30 – 40 Meter gut bis die Fuhre zum Stehen kam. Mittlerweile war auch hinten, vom Nummernschild bis vorne zur Schwinge, alles voll und das Hinterrad drehte sich trotz Vollgas im 1. Gang nicht mehr.
Die Kupplung rutschte nur noch durch.
Also stehen bleiben, Problem erkennen und nachdenken.
Alexandru, mittlerweile leicht überfordert, wollte es, statt zu warten, mit der Brechstange versuchen, versenkte seine BMW auf der Innenspur des Hohlweges und brachte sie auch zum totalen Blockieren.
Er hat sie dann zum X-ten Mal auf die Seite fallen lassen, sich neben sein Krad gelegt und war völlig fertig.
Wir mussten einsehen, dass es hier nicht weitergeht.
Der Rest der Truppe muss es wie Axel über die Wiese versuchen.
Die Kollegen befestigten die Gurte, die wir noch vom Autoreisezug hatten, an jeder Seite zwei vorne und zwei hinten am Krad und begleiteten jeden einzeln über die abschüssige Wiese.
Das ging ganz gut.
So, nun waren mein und Alexandrus Motorrad total blockiert und bewegten sich keinen Zentimeter mehr.
Wir hatten aber noch 3/4 der Kurve vor uns. Die Idee, sie mit allen Männern rüber auf die Wiese zu ziehen, war aber total aussichtslos.
Der Weg, ein Hohlweg, war zu tief und wir hatten auf dem Lehm große Probleme uns überhaupt auf den Füßen zu halten.
Also versuchten wir den Lehm herauszukratzen und so die Räder wieder frei zu bekommen.
Wir haben es erst einmal, wie schon auf dem Stück hierher, mit abgebrochenen Ästen probiert. Keine Chance.
Ich habe nun erst einmal die Packtaschen demontiert, damit wir überhaupt unter das Schutzblech kommen.
Lars versuchte es dann mit bloßen Händen. Das war die einzige Möglichkeit, den Kleister heraus zu bekommen.
Wir kratzten also den Lehm heraus und weiter. Leider war nach 10 Metern wieder alles voll.
So kommen wir nie durch, also wieder freikratzen und versuchen auf die rechte Außenseite des Hohlweges zu kommen. Da ist eine schmale Kante mit einer ganz zarten Grasnarbe.
So haben wir eine Chance aus der Lehmhölle heraus zu kommen. Das ist uns auch in einem Balanceakt gelungen.
Wir, aber mittlerweile am Ende unserer Kräfte, hatten noch Andys BMW zu bergen und noch ein gutes Stück bis zum nächsten Schotterweg vor uns. Es war mittlerweile 15:30.
Wenn das so weitergeht, schaffen wir es vor Anbruch der Nacht nicht mehr.
Ich habe mir mittlerweile einen Fingernagel abgebrochen und das Nagelbett verletzt – tat höllisch weh, aber es hilft nix, immer weiter kratzen.
Habe dann einen Reifenmontagehebel aus dem Werkzeugsatz benutzt. Warum ist mir das nicht schon eher eingefallen?
Nach so einer Freikratzaktion, die sehr anstrengend war, brauchte ich dann 3 -4 Minuten um meinen Puls von gefühlten 200 runter kommen zulassen.
Dann ein paar Meter weiter und alles wieder von vorne. Habe mich mittlerweile allein weitergekämpft – keine Kraft mehr, um den Berg hoch zu laufen und den anderen zu helfen.
Die Packtaschen, die ich immer wieder nachholte, habe ich mittlerweile wieder angeschraubt.
Die linke Seite des Hohlweges war jetzt mit flachen Büschen bewachsen. Wenn ich da raufkomme, schaffe ich locker 200 Meter ohne freizukratzen. Das ist mir auch gelungen und ich bin dann vorsichtig auf der Kante durch die Büsche gefahren.
Links ging es ziemlich steil in ein Bachbett herunter. Anfangs so etwa 40 Meter, das wurde mit jedem Meter, den ich vorankam, weniger.
Eine Zeitlang kam ich gut voran, plötzlich ein lautes Klock und die Fuhre kam abrupt zum Stehen.
Bin mit der linken Seite des Ölwannenschutzes auf einen Findling gefahren. Mist, den habe ich in dem Buschwerk nicht gesehen und es ist keiner in der Nähe, der mir helfen könnte.
Die anderen waren noch weiter oben.
Ich habe das Motorrad auf der schmalen Kante des Hohlweges so weit nach rechts gelegt wie es ging und mich mit dem Krad vorsichtig vorbei gehangelt – puh, noch einmal Glück gehabt.
Dann langsam weiter bis kurz vor den Bach, der den Weg kreuzte.
Hatte noch ca. 20 Meter bis zum Bach, aber es ging auf der linken Seite nicht weiter, Motorrad abzustellen ging auch nicht, der Boden war viel zu weich.
Es war mittlerweile kurz nach 17 Uhr, der rettende Weg schon in Sichtweite, aber die Zeit drängt.
Zwei Möglichkeiten taten sich auf. Wieder auf den Lehmweg oder rüber auf die andere Seite und in einer Trialaktion über einen Hügel durch einen Dornenbusch und dann schräg, steil runter in den Bach.
Mit sauberen Rädern wäre das keine große Aktion. Aber mit Lehm verkleisterten Reifen ohne jegliche Traktion, einer Fuhre, die mit Gepäck, Sprit und Lehm etwa 250 Kilo wiegt, und niemanden in der Nähe, der mir helfen könnte, war ein gewisses Restrisiko nicht auszuschließen.
Und fest, es dreht sich nichts mehr!
Für die Lehmpassage und das ständige Freikratzen hatte ich keine Kraft mehr. Also diagonal über den Weg auf die andere Seite. Das ist mir mit Schwung, Glück und Gottes Beistand auch gelungen.
Die kurze Passage reichte aber schon aus, um die Räder wieder total zu verkleistern. Also alles wieder freikratzen, irgendwie erneut auf das Motorrad und Puls runterbringen.
Nach 3-4 Minuten sollte es gehen.
Egal, los jetzt über den Hügel, halb in den Dornenbusch und ja nicht von der Kante in den Hohlweg rutschen.
Mit getretener Bremse ohne spürbare Verzögerung, schräg steil runter in den Bach und mit dem gewonnenen Schwung durch das Wasser über den dahinter liegenden Weg in einen kleinen Fluss, der sich auf der anderen Seite mit dem Bach vereint.
Jetzt erstmal die Reifen freiwaschen und verschnaufen.
Axel, der sich auch alleine durchgekämpft hat, war schon eine 1/4 Std. früher unten.
So, das wäre geschafft. Motorrad abgestellt, kurz verschnauft und zu Fußs wieder rauf, um den anderen zu helfen.
Habe dann mit Jörg den Findling aus den Büschen zur Seite gerollt und so sind die anderen auch gut vom Berg gekommen.
Wir sind zwar keine Enduro Fahrer, aber nach dieser Lehmschlacht brauchen wir uns ganz sicher nicht zu verstecken.
Jetzt bekommt für uns der Spruch „ab in die Walachei“ auch eine greifbare Bedeutung.
Mittlerweile war es kurz nach 18 Uhr und wir hatten noch gute 15 Km Schottenpiste bis zur Straße.
Sind dann in einem Dorf, das aus 6-7 Hütten bestand, angehalten und beschlagnahmten im Dorfladen, etwa so groß wie eine Baubude, den Wasservorrat, wir waren völlig dehydriert.
Den gesamten Lagerbestand aus dem Laden spülten wir in wenigen Minuten runter.
Die Leute sahen uns an wie Außerirdische, waren aber sehr freundlich und hilfsbereit.
Sie haben sogar, aus offensichtlichem Mitleid, unsere Griffe am Lenker mit Grasbüscheln gereinigt. Die waren vom Lehm so glatt und rutschig wie ein Aal.
Der Kampf im Lehm forderte seinen Tribut, ein kleiner feinmotorischer Übermittlungsfehler.
In der Dämmerung fuhren wir die Schottenpiste runter auf die Straße.
Mittlerweile dunkel geworden, fing es wieder an zu regnen. Wir, alle ohne Schutzblech, die Reifen voller Dreck und die Straße auch nicht gerade sauber, spritzten uns mit den eigenen Vorderrädern das Visier so zu, dass wir im Blindflug die nächste Tankstelle nach 30 KM erreichten.
Dort angekommen, haben wir erst einmal die Motorräder getankt und grob den Dreck von den Motorrädern gewaschen.
Die meisten konnten ihre Schutzbleche wieder montieren.
Ich musste ohne weiterfahren, weil ich erst das Vorderrad ausbauen musste, um den Gabelstabi wieder zu montieren.
Dem Wirt war unsere Abendgarderobe ein wenig suspekt!
Andy organisierte von der Tankstelle aus ein Motel in Dumbraveni für uns, in dem wir völlig fertig und total verdreckt um 21:30 Uhr ankamen.
Der Wirt verteilte erstmal an alle Hausschuhe und bat uns, die Stiefel draußen stehen zu lassen.
Er deckte alle Stühle mit einem Stück Pappe ab, servierte uns einen Schnaps zum Aufwärmen und Bier gegen die Dehydration.
Zum Schluss bekamen wir noch ein leckeres Abendmahl.
Jetzt noch essen und trinken auf unsere Tour, duschen und schlafen, das haben wir uns auch hart verdient.
Bilanz des Tages:
Für die gut 1 Kilometer lange Lehmpassage brauchten wir etwa 8 Stunden, um uns da durch zu kämpfen.
Das war die kürzeste, aber auch mit Abstand härteste Etappe der Tour.
Wir sind alle an unsere Grenze gekommen und darüber hinaus gegangen.
Der Zusammenhalt der Truppe war super und als Gruppe sind wir richtig zusammengewachsen.
Diese Erfahrung hat uns sehr viel Kraft gekostet, aber sie hat uns stärker gemacht und wird uns noch lange begleiten.